Nina, 20, will eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester machen. In ihrer Freizeit spielt sie schon seit Jahren Theater. Eigentlich ein ganz normales Leben. Wenn nicht ihre Angststörungen und Depressionen wären
„Ich habe sehr oft geweint. Anscheinend grundlos. Habe mir immer furchtbar viele Sorgen gemacht. Mit 14 ging‘s mir dann schon schlecht in Richtung Depression. Ich hatte immer wieder Episoden, in denen ich sehr traurig war, antriebslos oder innerlich komplett leer. Wann das mit den Ängsten hinzugekommen ist, kann ich nicht genau ausmachen. Das hat sich sehr schleichend entwickelt. Ich konnte zum Beispiel nicht im Dunkeln schlafen – auch mit 16 noch nicht. Dunkelheit allgemein hat mich in sehr große Angstzustände versetzt. Wenn man mich erschreckt hat, bekam ich einen Nervenzusammenbruch, weil diese Angst mich so zerfressen hat.
Später wurden diese Ängste dann mehr und mehr auf soziale Bereiche übertragen. Am schlimmsten war wohl die Verlustangst auf meinen ersten Freund bezogen, die hat in mir sehr extreme Verhaltensweisen ausgelöst. Ich konnte nie akzeptieren, wenn er Zeit mit wem anders als mir verbringen wollte. Ich habe ihn manipuliert ohne das wirklich zu wollen. Als ich dann so richtig depressiv war, war er meine einzige Bezugsperson und ich wurde abhängig von ihm. Ansonsten hatte ich Angst vor so ziemlich allem: Terroranschlägen in Bus oder Bahn oder auf großen Veranstaltungen. Tatsächlich auch vor Filmen, die auch nur im Geringsten gruselig sind. Ich hatte immer Angst nachts vor meinem Fenster zu stehen – aus Angst jemand könnte mich von draußen erschießen.
Als ich in die Klinik kam habe ich ca. 1,5 Jahre Medikamente genommen. Die Altersgruppe dort war zwischen 11 bis 18 Jahren und es gab alles mögliche: Essstörungen, Zwangsstörungen, Schulangst, Depression. Prinzipiell war meine Erfahrung sehr positiv. Dadurch, dass mein Freund mich damals verlassen hat, habe ich gelernt, dass egal wie groß meine Ängste sind, ich alles ‚überlebe‘. Meine Angst vor Dunkelheit hat sich zum Beispiel auf ein normales Maß verringert, was mir ein normaleres Leben ermöglicht.
Wenn noch was da ist, dann eher im sozialen Bereich. Ich habe letztens lieber mein Mittagessen ungewürzt gegessen, als in den Aufenthaltsraum zu gehen und dort vor allen nach Salz zu suchen. Wie seltsam sich das anhört, wenn man bedenkt, dass ich seit ich fünf war Theater gespielt habe. Auch sonst bin ich nach außen total der extrovertierte, laute Mensch. Je schlechter es mir ging desto aufgedrehter war ich nach außen. Es war sehr schwer zu lernen, das vor jemandem außer meinem Freund fallen zu lassen.
Meine beste Freundin ist super super toll und hat immer Verständnis gezeigt. Für meine Mutter war es nicht leicht, weil sie oft hilflos war und sich dementsprechend ‚falsch‘ verhalten hat, was zu Konflikten geführt hat. Für meinen Papa war‘s auch nicht leicht, weil er das erste Mal wirklich damit konfrontiert wurde und es ihm sehr weh getan hat zu erfahren, dass ich so lange gelitten habe ohne dass er es wusste. Es ist wichtig, sich Hilfe zu holen. Sich selbst Ziele zu stecken, auch wenn sie noch so klein sind. Und sich belohnen, wenn man sie erreicht. Sich um sich selbst zu kümmern, sich selbst Gutes tun – jeden Tag etwas.“
*Name von der Redaktion geändert